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Nadine Schönwald Logo - Speakerin und Expertin für Inklusion
Januar 2025
4 Min. Lesezeit
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Behinderung mitten im Leben: Wenn sich Beruf und Alltag plötzlich verändern

Eine Behinderung entsteht oft mitten im Berufsleben mit Folgen für Karriere, Selbstbild und Teamdynamik. Wie Führungskräfte und Unternehmen unterstützen können

Nadine Schönwald - Autorin und Expertin für Inklusion

Geschrieben von

Nadine Schönwald

Behinderung mitten im Leben: Wenn sich Beruf und Alltag plötzlich verändern

Wenn das Leben eine plötzliche Wendung nimmt.

Ein Unfall, eine schwere Erkrankung, eine chronische Diagnose – und von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie zuvor.

Viele Menschen denken bei Behinderung an etwas, das von Geburt an besteht. Die Realität sieht anders aus: Der Großteil der Behinderungen entsteht erst im Laufe des Lebens – und oft mitten im Berufsleben.

Diese Veränderung bringt nicht nur körperliche oder gesundheitliche Herausforderungen mit sich. Sie bedeutet auch einen tiefen Einschnitt in die berufliche und soziale Rolle.

Plötzlich steht nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit infrage, sondern auch die Zugehörigkeit zum Team.

Kaum bekannte Fakten

  • 97 % aller Schwerbehinderungen werden erst im Laufe des Lebens erworben.
  • Das durchschnittliche Ersterkrankungsalter liegt bei über 50 Jahren.
  • Viele Betroffene kehren nach einer längeren Auszeit in den Job zurück – und erleben, dass weder Führungskräfte noch Kolleg:innen genau wissen, wie sie damit umgehen sollen.

(Quellen: Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Statistisches Bundesamt)

Der doppelte Bruch: Körperlich und sozial

Eine neu erworbene Behinderung verändert nicht nur, was jemand tun kann, sondern auch, wie er oder sie wahrgenommen wird.

Typische Folgen für Betroffene sind:

  • Verlust der beruflichen Rolle: Aufgaben, die früher selbstverständlich waren, werden infrage gestellt.
  • Zweifel an der eigenen Position: Die Angst, nicht mehr ernst genommen zu werden.
  • Rückzug: Aus Gesprächen, Projekten oder Entscheidungsprozessen.
  • Frustration: Über fehlende Unterstützung oder unsensible Kommentare.

Reaktionen im Umfeld – oft unbeabsichtigt verletzend

Kolleg:innen und Führungskräfte reagieren häufig aus Unsicherheit. Typische Muster sind:

  • Schweigen: Aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
  • Überfürsorge: „Mach du mal lieber nicht mit.“
  • Vermeidung: Bestimmte Themen oder Aufgaben werden nicht mehr angesprochen.
  • Unsicherheit: „Darf ich fragen, was passiert ist?“

Diese Reaktionen sind selten böswillig – wirken aber dennoch ausgrenzend.

Was Führungskräfte konkret tun können:

1. Frühzeitig das Gespräch suchen

Interesse zeigen, ohne zu drängen. Ein Satz wie: „Ich bin da, wenn du über den Wiedereinstieg sprechen möchtest“ kann viel bewirken.

2. Flexibilität ermöglichen

Anpassungen bei Arbeitszeit, Pausen oder Aufgabenverteilung geben Betroffenen den nötigen Spielraum, um sich an die neue Situation zu gewöhnen.

3. Das Team vorbereiten

Ohne private Details zu teilen, kann die Führungskraft vermitteln, dass ein offener, wertschätzender Umgang wichtig ist – und dass Unsicherheiten angesprochen werden dürfen.

4. BEM als Kultur verstehen

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement sollte nicht als Pflichtübung, sondern als strategisches Instrument für gelebte Inklusion genutzt werden.

5. Einbindung in Entscheidungen

„Für dich mitgedacht“ ist nicht dasselbe wie „mit dir entschieden“. Regelmäßig fragen, was gebraucht wird, wie es läuft und ob Anpassungen nötig sind.

Warum Offenheit entscheidend ist:

Eine neu erworbene Behinderung ist nicht nur eine private Angelegenheit – sie betrifft auch das Arbeitsumfeld.

Wer das Thema als „Privatsache“ abtut, übersieht, dass Inklusion nur funktioniert, wenn sie aktiv gestaltet wird.

Es geht nicht darum, sofort perfekte Lösungen zu haben, sondern darum, im Gespräch zu bleiben und den Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren.

Reflexionsfragen für Führungskräfte und Teams

  • Habe ich den Wiedereinstieg von Kolleg:innen zu schnell als „erledigt“ betrachtet?
  • Wie würde ich selbst behandelt werden wollen, wenn ich betroffen wäre?
  • Bin ich bereit, offen über Unterstützungsmöglichkeiten zu sprechen?

Fazit: Inklusion beginnt im Moment der Veränderung

Behinderung kann jede und jeden treffen – jederzeit.

Unternehmen, die vorbereitet sind und eine offene, flexible und wertschätzende Kultur leben, schaffen nicht nur bessere Bedingungen für Betroffene, sondern stärken das gesamte Team.

Denn Inklusion ist kein Sonderfall – sie ist Teil moderner Arbeitskultur.

💬 Diskussion:

Was würdest du dir wünschen, wenn du morgen selbst mit einer Einschränkung in deinen Job zurückkehrst?

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